Update: VG Potsdam bejaht vorzeitige Corona-Impfung für Krebspatientin
Eine Krebspatientin aus Brandenburg hat sich erfolgreich eine vorzeitige Corona-Impfung erstritten. Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Gerichten (wir berichteten) entschied nun das Verwaltungsgericht Potsdam, dass eine Patientin, die unheilbar an Lymphdrüsenkrebs im Spätstadium erkrankt ist, umgehend eine Corona-Impfung erhalten muss (VG Potsdam, Beschl. v. 17.02.2021, Az. VG 6 L 103/21 – noch nicht veröffentlicht). Der unter 80-jährigen Frau war von Ärzten zuvor ein exorbitantes Todesfallrisiko im Fall einer Corona-Ansteckung attestiert worden.
Die Positionen des Verwaltungsgerichts Potsdam im Einzelnen:
- Die aktuelle Corona-Impfverordnung verstößt gegen § 20 i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a SGB V. Nach dieser Vorschrift ist für die Impfreihenfolge maßgeblich, ob ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf besteht. Daher müssen nicht nur ältere Menschen geschützt werden, sondern auch Personen, für die ein solches Risiko aufgrund ihres individuellen Gesundheitszustandes besteht. Eine Schlechterstellung dieser Personen ist verboten.
- Personen, die aufgrund individueller Umstände ganz konkret am wahrscheinlichsten mit dem Tod bedroht sind, dürfen daher in der Impfreihenfolge nicht hinter solchen Personen eingeordnet werden, für die nur aufgrund abstrakter Annahmen ein erhöhtes Erkrankungs-/Sterblichkeitsrisiko besteht (z.B. wegen hohen Alters).
- Schwerstkranke können sich auf die grundrechtlich garantierte Fürsorgepflicht des Staates berufen und haben einen Anspruch auf höchstpriorisierte Impfung direkt aus § 20 i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a SGB V i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
Das Verwaltungsgericht Potsdam hat diesen Fall sehr klar und eindeutig entschieden. In der Sache war eine solche Entscheidung längst überfällig. Die aktuelle Corona-Impfverordnung ist aus gleich mehreren Gründen rechtswidrig und damit nicht länger haltbar. Gerade Personen, deren Gesundheitszustand am kritischsten und verletzlichsten ist, müssen bei der Impfreihenfolge selbstverständlich an vorderster Stelle stehen. Für sie ist eine Corona-Impfung nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret lebensrettend.
Sogar die Ständige Impfkommission (STIKO) fordert seit Wochen, auch Härtefälle mit höchster Priorität zu impfen. Die STIKO nennt in diesem Zusammenhang explizit Menschen, denen demnächst eine Chemotherapie bevorsteht. Dass die Politik diesen Aspekt bislang nicht hinreichend berücksichtigt hat, ist inakzeptabel. Gleiches gilt für Gerichte, die mit fadenscheinigen Begründungen an der Corona-Impfverordnung festhalten und sich in Härtefällen über eindeutige medizinische Gutachten hinwegsetzen.
Bleibt jetzt nur zu hoffen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam kein Einzelfall bleibt. Schließlich wächst der „Impfstau“ in Deutschland immer weiter und verschärft somit auch die Situation von Schwerstkranken.
von Rechtsanwältin Dr. Yvonne Schuld, LL.M.