Aktuelle Entwicklungen beim Thema Sterbehilfe
Beim Thema Sterbehilfe gibt es aktuell viele neue Entwicklungen, und zwar europaweit. Im folgenden Beitrag stellen wir diese kurz vor:
Deutschland: Demnächst Orientierungsdebatte im Bundestag?
Die Abgeordneten Helling-Plahr, Lauterbach, Sitte, Schulz und Fricke hatten Ende Januar einen interfraktionellen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe vorgestellt (wir berichteten). Laut Angaben von Helling-Plahr unterstützen mittlerweile fünf Prozent aller Bundestagsabgeordneten diese Initiative. Der Gesetzentwurf könnte somit formal in den Bundestag eingebracht werden. Damit will die Gruppe um Helling-Plahr aber zunächst noch warten.
Nach Ostern soll es voraussichtlich eine sog. Orientierungsdebatte im Bundestag geben. Eine solche Debatte ist bei ethisch umstrittenen Fragen durchaus üblich und wurde z.B. auch schon bei anderen Gesetzentwürfen durchgeführt (z.B. zur Organspende oder pränatalen Bluttests).
Helling-Plahr stellte jedoch klar, dass man den Gesetzentwurf notfalls auch ohne Orientierungsdebatte in den Bundestag einbringen würde, falls die Union das Thema verzögern sollte. Schließlich drängt die Zeit: Gibt es bis zum Ende der Legislaturperiode keine gesetzliche Regelung, muss das gesamte Verfahren nach der Bundestagswahl wieder neu aufgerollt werden. Damit bestünde für Sterbewillige und deren Angehörige, Ärzte, Pflegepersonal und Sterbehilfeorganisationen weiterhin für lange Zeit Rechtsunsicherheit.
Österreich: Gesetzliche Regelung verfassungswidrig
Im Dezember 2020 urteilte der Verfassungsgerichtshof in Wien, dass das gesetzliche Verbot der Hilfeleistung zum Suizid gegen das Recht auf Selbstbestimmung verstoße. Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten. Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasse sowohl das Recht auf die Gestaltung des Lebens als auch das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben, erklärten die Richter.
Die österreichische Regierung hat nun bis 2022 Zeit, diesen Punkt neu zu regeln. Derzeit kann Sterbehilfe in Österreich mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Tötung auf Verlangen soll auch weiterhin strafbar bleiben.
Spanien: Parlament beschließt Sterbehilfe-Gesetz
In Spanien ist man dagegen bereits einen Schritt weiter als in Deutschland und Österreich: Am 18.03.2021 billigte das spanische Parlament mit großer Mehrheit ein Gesetz zur Legalisierung der Sterbehilfe („ley de eutanasia“). Das Gesetz soll im Juni in Kraft treten.
Menschen, die eine schwere, unheilbare und chronische Krankheit oder Einschränkungen haben, die ihnen unerträgliches Leiden verursachen, erhalten auf ausdrücklichen Wunsch hin Sterbehilfe. Das Gesetz sieht dafür ein mehrstufiges Verfahren vor, an dem verschiedene Ärzte, Juristen und Kommissionen beteiligt sind. Der Sterbewillige muss insgesamt vier Mal den Willen kundtun, sein Leben beenden zu wollen. Ist er nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, kann eine von ihm zuvor verfasste Erklärung zur Sterbehilfe berücksichtigt werden. Zwischen dem Antrag auf Sterbehilfe und der Tötung selbst muss mindestens ein Monat Zeit vergangen sein. Der Antragsteller kann seine Meinung während des Verfahrens jederzeit wieder ändern. Ärzte und Pfleger sind nicht verpflichtet, Sterbehilfe zu leisten. Die Kosten für die Suizidhilfe trägt der öffentliche Gesundheitsdienst.
Konservative und rechte Gruppen lehnen das Gesetz ab. Die rechtspopulistische Vox-Partei kündigte bereits eine Klage vor dem Verfassungsgericht an. Auch die spanische Bischofskonferenz hatte die Gesetzespläne im Vorfeld scharf kritisiert und von einem moralischen Bruch und Verfall gesprochen. Gesundheitsministerin Darias sagte dagegen, mit der Regelung komme man einer humaneren und gerechteren Gesellschaft näher.
Portugal: Sterbehilfe-Gesetz muss nachgebessert werden
In Portugal hatte das Parlament schon Ende Januar für ein Gesetz gestimmt, wonach Erwachsene in einer Situation extremen Leides und unumkehrbarer Beeinträchtigung aktive Sterbehilfe erhalten können. Falls Zweifel an der Fähigkeit zu einer freien und aufgeklärten Willensbildung bestehen, müssen Ärzte und Psychiater die Entscheidung für rechtsgültig erklären.
Der konservative Staatspräsident Sousa stellte die Rechtmäßigkeit des Gesetzes allerdings in Frage und legte es dem Verfassungsgericht vor. Die Richter entschieden nun, dass die Regelungen in ihrer jetzigen Fassung teilweise zu unbestimmt und daher nicht zulässig sind. Gleichzeitig betonen sie aber auch, dass es keine Verpflichtung gebe, unter allen Umständen leben zu müssen. Das portugiesische Parlament hat nun die Möglichkeit, den Gesetzestext zu überarbeiten und ihn dann erneut dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen.