Ruine

BGH zu Schrottimmobilien: WEG darf Nutzung des Gebäudes nicht verbieten

Wenn das zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gehörende Gebäude zu mehr als seiner Hälfte zerstört ist und der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt ist, scheidet ein Wiederaufbau oftmals aus rechtlichen Gründen aus. Denn nach § 22 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) dürfen die Wohnungseigentümer den Wiederaufbau weder mehrheitlich beschließen, noch darf ein einzelner Wohnungseigentümer von der Mehrheit einen entsprechenden Wiederaufbau verlangen. Ein solcher wäre also nur dann möglich und zulässig, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an einem Strang ziehen. Gerade bei größeren WEG`s dürfte dies jedoch ein unrealistisches Szenario sein: Hier kann der Wiederaufbau jahrelang blockiert sein.

Die heutige Bedeutung des § 22 WEG

In den ersten Nachkriegsjahren lag der Schwerpunkt des § 22 WEG noch auf kriegsbedingten Schäden, die etwa durch Bombenangriffe der Alliierten verursacht wurden. Mittlerweile hat sich die Bedeutung der Regelegung jedoch in Richtung auf nicht versicherten Umweltrisiken (Überschwemmungen, Stürme etc.) als Folge des Klimawandels verlagert. Jüngstes Beispiel dafür ist die gewaltige Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer dieses Jahres. Realisieren sich solche Risiken und sind die hierdurch verursachten Schäden am Wohnungseigentum nicht ausreichend versichert, scheitert ein Wiederaufbau der Immobilie allein schon aus formalen Gründen, auch wenn er mehrheitlich beschlossen wird. Hier droht den Wohnungseigentümern der wirtschaftliche Totalverlust.

BGH: § 22 WEG gilt nicht für Schrottimmobilien

Etwas anderes gilt jedoch für Immobilien, die nicht aufgrund von Zerstörung, sondern infolge eines altersbedingten Sanierungsstaus wertlos geworden sind. Wirtschaftlich betrachtet können solche „Schrottimmobilien“ zwar einer Zerstörung im Sinne des § 22 WEG gleichkommen. Aus diesem Grunde wurde bislang mitunter die Auffassung vertreten, § 22 WEG sei auch auf solche Fallgestaltungen anzuwenden. Dem hat der für Immobilienrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) nunmehr jedoch eine Absage erteilt: In seiner Entscheidung vom 15.10.2021 (AZ: V ZR 225/20) kommt er zu dem Ergebnis, dass die Wiederaufbausperre des § 22 WEG in solchen Fällen weder unmittelbar noch analog anzuwenden sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers beschränke sich die Vorschrift nämlich auf punktuelle Ereignisse, die zur Zerstörung geführt haben, wie beispielsweise Feuer, Überschwemmung oder Explosion. Dahingegen stellen Mängel an einem überalterten, nicht sanierten Gebäude regelmäßig keine punktuellen Zerstörungsereignisse dar, da sie sich meistens über Jahre oder Jahrzehnte hin entwickeln.

BGH: Beschluss über Nutzungsverbot i.d.R. unzulässig

In dem konkreten Fall hatten die Gerichte darüber zu entscheiden, ob die Eigentümer eines stark sanierungsbedürftigen Parkhauses ein mehrheitlich generelles Nutzungsverbot beschließen dürfen. Dieses war nach WEG auf mehrere Eigentümer aufgeteilt, von denen der Klägerin drei der insgesamt elf Parkebenen gehörten. Diese vermietete sie an ein benachbartes Hotel, während die restlichen Ebenen schon längere Zeit nicht mehr genutzt wurden. Nachdem das zuständige Bauordnungsamt brandschutztechnische Nachweise verlangte, beschlossen die Wohnungseigentümer gegen den Willen der Klägerin, dass künftig auch deren Ebenen aus sicherheitstechnischen Gründen nicht mehr genutzt werden dürfen. Hiergegen wandte sich die Klägerin im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage, die sie jedoch in den ersten beiden Instanzen noch verlor. Der BGH hob diese Entscheidungen allerdings auf. Zwar entspreche es durchaus ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn zu Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten vorübergehend ein derartiges Nutzungsverbot beschlossen werde; auf längere Sicht hin sei dies hier jedoch kein zulässiges Mittel, da kein Fall einer Zerstörung im Sinne des § 22 WEG vorliege. Stattdessen seien die Eigentümer hier dazu verpflichtet, den Sanierungsstau durch geeignete bauliche Maßnahmen zu beheben, um die Immobilie wieder nutzbar zu machen. Unerheblich sei, dass dies hohe Kosten verursache.

Fazit:

Wohnungseigentümer sollten darauf achten, notwendige Sanierungen zeitnah durchzuführen und diese nicht auf die lange Bank zu schieben. Überalterungsbedingte Mängel sind jedenfalls nicht geeignet, dauerhafte Nutzungsverbote zu beschließen. Sollten Sie dennoch mit solch einem Verbot konfrontiert werden, können Sie sich jederzeit vertrauensvoll an uns wenden.

 

von Rechtsanwalt Dr. Jan Schuld, LL.M.