Corona: Wenn der Arzt keinen Mundschutz trägt
Vechta, Deggendorf, Berlin, Leipzig – immer wieder wird berichtet, dass Ärzte trotz offensichtlicher Corona-Symptome weiterhin praktizieren, Patienten ohne Mundschutz behandeln und diese dabei mit Corona infiziert haben sollen. Aufgefallen sind derartige Fälle angeblich vor allem wegen der regional stark angestiegenen Inzidenzzahlen.
Ob die Vorwürfe im Einzelfall tatsächlich begründet sind, lässt sich letztlich nur im Rahmen umfangreicher Untersuchungen klären. Wie in den Medien berichtet wurde, haben die Gesundheitsämter – und teilweise auch die Polizei – hier bereits die Ermittlungen aufgenommen. Unabhängig von diesen Einzelfällen stellen sich aber folgende allgemeine Fragen:
Wie steht es um die Mundschutzpflicht in Arztpraxen oder sonstigen Praxen mit medizinischem, psychotherapeutischem oder pflegerischem Leistungsangebot?
Was ist zu tun, wenn bei einem Arzt oder einem anderen Mitglied des Praxisteams der Verdacht einer Corona-Infektion besteht?
Wie ist die Rechtslage, wenn z.B. ein Arzt, Physiotherapeut oder sonstiger Leistungserbringer zu „lax“ mit eigenen Krankheitssymptomen umgeht und dadurch seine Patienten mit Corona infiziert?
Nach der aktuellen Rechtslage lassen sich diese Fragen wie folgt beantworten:
1. Die Corona-Bekämpfungsverordnungen der Bundesländer sind klar und eindeutig: Eine Maskenpflicht besteht in der Regel nur für die Patienten, aber nicht für das Praxispersonal.
2. Gleichwohl müssen Praxisinhaber gerade im Hinblick auf Corona zahlreiche Hygienevorschriften beachten, die sich z.B. aus dem Infektionsschutzgesetz, den Hygieneverordnungen der Bundesländer oder dem Medizinproduktegesetz.
3. Im Übrigen haben die jeweiligen Berufsgenossenschaften, Kammern und Fachvereinigungen besondere Hygieneregeln und Hygieneempfehlungen Auch diese Vorgaben sollten von den Praxisinhabern unbedingt eingehalten und dokumentiert werden, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Hier einige Beispiele, jeweils mit weiterführenden Hinweisen und Erläuterungen:
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- Handlungsempfehlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
- Handlungsempfehlungen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein
- Mustervorlagen für Praxishygiene der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz
- Richtlinie und Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (Anm.: Obwohl diese Richtlinie ursprünglich für Krankenhäuser formuliert wurde, gilt sie heute uneingeschränkt auch für den ambulanten Bereich.)
4. Besteht der Verdacht, dass sich der Arzt oder ein Praxismitarbeiter mit Corona infiziert hat, sind unverzüglich folgende Maßnahmen einzuleiten:
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- ärztliche Abklärung der Symptome inkl. Corona-Test
- Freistellung der betroffenen Person
- Lüften, Desinfektion von Kontaktflächen usw.
- Information des Gesundheitsamts
- Ermittlung von Kontaktpersonen/Praxisbesuchern
- weitere Maßnahmen (je nach Absprache bzw. Anordnung durch das Gesundheitsamt, z.B. Praxisschließung, Tätigkeitsverbote, Quarantäneanordnung)
5. Sollte ein Arzt diese Vorgaben missachten und trotz erkennbarer Corona-Symptome weiterarbeiten (und dabei ggf. sogar Patienten infizieren), drohen ihm folgende Konsequenzen:
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- Strafrechtliche Konsequenzen
Polizei und Staatsanwaltschaft werden Ermittlungen wegen versuchter bzw. vollendeter Körperverletzung aufnehmen. Dabei prüfen sie, ob ausreichende Verdachtsmomente für ein strafbares Verhalten des Arztes vorliegen. Schwierig dürfte hier allerdings regelmäßig die Feststellung der Kausalität sein: Hat sich der betroffene Patient wirklich beim infizierten Arzt angesteckt? Oder fand die Ansteckung vielleicht schon vorher oder erst nachher bei einer ganz anderen Person statt? In der aktuellen Pandemielage dürfte der genaue Infektionsverlauf jedenfalls kaum nachweisbar sein.
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- Gesundheitspolizeiliche Konsequenzen
Wenn die zuständigen Gesundheitsbehörden über angebliche Hygienemängel in einer Arztpraxis informiert werden, können sie unter Umständen spezielle Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen anordnen (z.B. Erstellung von Desinfektionsplänen, Verwendung persönlicher Schutzkleidung, Praxisbegehungen, Praxisschließungen).
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- Berufsrechtliche Konsequenzen
Gegebenenfalls drohen dem betroffenen Arzt auch berufs- und standesrechtliche Konsequenzen. Die Ärztekammern können ärztliche Pflichtverstöße z.B. mit Rügen, Verweisen oder Geldbußen sanktionieren. In besonders schwerwiegenden Fällen schreiten sogar die Approbationsbehörden ein; sie können unter besonderen Voraussetzungen sogar das Ruhen oder den Widerruf der Approbation anordnen.
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- Zulassungsrechtliche Konsequenzen
Sofern der betroffene Arzt eine Kassenzulassung besitzt, wird außerdem die zuständige Kassenärztliche Vereinigung eine genaue Prüfung des Sachverhalts durchführen. Stellt das ärztliche Verhalten einen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten dar, können Verwarnungen, Verweise und Geldbußen verhängt werden. Bei groben Verstößen droht unter Umständen ein Ruhen oder der Entzug der Zulassung.
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- Zivilrechtliche Konsequenzen
Ein Patient, der von einem Arzt mit Corona infiziert wird, kann unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen den Arzt geltend machen (z.B. Schmerzensgeld, Verdienstausfallschaden etc.). Auch hier ist aber der erforderliche Kausalitätsnachweis schwierig. Ob und inwieweit sich der betroffene Patient auf Beweiserleichterungen berufen kann, muss im Einzelfall geprüft werden. Erst danach lässt sich das konkrete Prozessrisiko genauer abschätzen.
Wenn Sie als Arzt, Leistungserbringer oder Patient nähere Fragen zu den geschilderten Fallkonstellationen haben, sprechen Sie uns an. Wir helfen Ihnen gerne weiter.
von Rechtsanwältin Dr. Yvonne Schuld, LL.M.