Kryokonservierung_Umsatzsteuer

Keine Umsatzsteuer bei medizinisch indizierter Kryokonservierung

Eine gute Nachricht für alle Paare mit Kinderwunsch: Die bei Fruchtbarkeitsbehandlungen oftmals durchgeführte „Kryokonservierung“ (= Einfrieren von Ei-/Samenzellen) wird – jedenfalls aus steuerlicher Sicht – günstiger. Hintergrund ist eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs, in der es um die Umsatzsteuerpflicht von Kryokonservierungsmaßnahmen ging.

Kinderwunschzentrum und Kryobank

Oftmals gründen Reproduktionsmediziner neben ihrem Kinderwunschzentrum eine eigenständige „Kryobank“, die die Kryokonservierung und Einlagerung der Ei- und Samenzellen übernimmt. Kinderwunschzentrum und Kryobank sind in diesem Fall zwei unterschiedliche Unternehmen, für die aber oft ein und dieselben Ärzte tätig sind.

Die betroffenen Paare bzw. Patientinnen und Patienten schließen zunächst einen Behandlungsvertrag mit dem Kinderwunschzentrum über die Fruchtbarkeitsbehandlung (IVF, ICSI). Bei diesem Vertrag wird keine Umsatzsteuer fällig, da es sich um eine umsatzsteuerfreie ärztliche Heilbehandlung handelt.

Außerdem wird mit der Kryobank ein Kryokonservierungsvertrag über das Einfrieren und die Lagerung der Ei-/Samenzellen geschlossen. Für die Kryokonservierung und Lagerung berechnen sich die Kryobanken meist über 500,00 €. Auf diesen Betrag fiel – bislang – auch noch 19% Umsatzsteuer an. Denn die Finanzämter argumentierten, dass die Kryokonservierung keine ärztliche Heilbehandlung sei, wenn sie von einem externen Unternehmen erbracht wird. Hiergegen wandte sich aber eine Kryobank aus dem Münsterland, und der Streit landete schließlich vor dem Bundesfinanzhof.

Steuerbegünstigung bei therapeutischem Zweck

Der Bundesfinanzhof entschied nun zu Gunsten der betroffenen Kryobank folgendes (BFH, Beschluss v. 7.7.2022, V R 10/20): Wenn Ei- und Samenzellen aus therapeutischen Gründen kryokonserviert werden (z.B. im Rahmen einer medizinisch indizierten Fruchtbarkeitsbehandlung), liegt eine umsatzsteuerfreie ärztliche Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG vor. Das gilt auch dann, wenn die Fruchtbarkeitsbehandlung bzw. die Kryokonservierung jeweils durch unterschiedliche Dienstleister durchgeführt wird, für die aber dieselben Ärzte tätig sind. Dass die Einlagerung von einem anderen Unternehmen als vom Kinderwunschzentrum erbracht wird, spielt keine Rolle. Maßgeblich ist vielmehr, dass das gesamte Verfahren von der Entnahme bis zum Wiedereinsetzen befruchteter Eizellen einem therapeutischen Zweck dient („therapeutisches Kontinuum“).

Keine Steuerbegünstigung bei „social freezing“

Die Umsatzsteuerbefreiung gilt aber nur für Kryokonservierungsmaßnahmen, die im Rahmen medizinisch indizierter Fruchtbarkeitsbehandlungen erfolgen. Dagegen stellt das sog. „social freezing“, d.h. das vorsorgliche Einfrieren von Eizelle ohne medizinischen Grund, keine steuerbegünstigte medizinische Heilbehandlung dar. Hier fällt also zwangsläufig Umsatzsteuer an.

Fazit

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs empfehlen wir allen betroffenen Kryobanken eine Umstellung ihrer Kryokonservierungsverträge und ihrer Abrechnungspraxis. Hierfür empfiehlt es sich, rechtzeitig Kontakt mit den hauseigenen Rechtsanwälten und Steuerberatern aufzunehmen. Diese klären zum einen das weitere Procedere mit dem jeweils zuständigen Finanzamt. Zum anderen kümmern sie sich zielgerichtet um Anfragen von Patientinnen und Patienten und prüfen, inwiefern Ansprüche auf Erstattung von zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer bestehen.

Bei weiteren Fragen zu diesem Thema nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf. Wir beraten Sie zu allen juristischen Fragen rund um die Reproduktionsmedizin.

 

von Rechtsanwältin Dr. Yvonne Schuld, LL.M.